Stadtgespräch – Public Relations DPRG

Im Interview Rechtsexperte Focke Höhne über die Frage: Tatze gleich Tatze?

Posted in Kommunikation by stadtgespraechblog on 22. Oktober 2009

Tatze gleich Tatze? Markenrechte, Abmahnungen, Reaktionen


Kurzum: Ich wollte es nun schon genauer wissen:

Hierzu habe ich Focke Höhne befragt, Assessor (Jurist mit erstem und zweitem Staatsexamen), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht der Universität Passau bei Prof. Dr. Dirk Heckmann.

Die Ansichten von Herrn Höhne sind allein die seinigen und weder der Universität Passau noch dem Lehrstuhl zurechenbar.

Hakan Günay:

Der Outdoor-Spezialist Jack Wolfskin sieht Markenrechte verletzt und muss scheinbar mit Abmahnungen reagieren. Tatze gleich Tatze? Ist die Rechtslage eindeutig? Würden Sie Ihrer Mandantin raten eine Unterlassungserklärung abzugeben? Für jedweiteren Verstoß drohen immerhin 10.000 Euro Vertragsstrafe.

Focke Höhne:

Leider ist die Rechtslage selten eindeutig. Auch in dem Fall der Jack Wolfskin Abmahnungen kann die Rechtslage nicht als derart eindeutig gesehen werden, wie die Pressemitteilung des Unternehmens suggerieren will. In markenrechtlichen Angelegenheiten ist stets die Verwechselungsgefahr von großer Bedeutung. Zweck der Marke ist ja, die Herkunft des Produkts zu kennzeichnen. Im Markenregister des Deutschen Patent und Markenamtes sind verschiedene Pfoten als Bildmarken für unterschiedliche Unternehmen eingetragen. Eine schöne kurze Übersicht hierzu liefert der MarkenBlog. Die Verwechselungsgefahr bei einer Bildmarke ist einzelfallabhängig und hängt auch von der Bekanntheit der Marke ab. Jack Wolfskin hat zwar ein Bildmarkenrecht an dem Abdruck einer stilisierten Wolfstatze. Damit kann das Unternehmen aber nicht für sich kein exklusives Recht an alle möglichen tierischen Pfotenabdrücken (also beispielsweise von Katzen, Hunden, Bären, …) beanspruchen. Entschiedene Rechtsstreitigkeiten zur Verwechselungsgefahr durch ähnliche Tierlogos hat das Markenmagazin anschaulich online gestellt.

Im konkreten Fall kann die markenrechtliche Verwechselungsgefahr bestritten werden. Wenn die Verwechselungsgefahr tatsächlich derart groß wäre, wie von der Jack Wolfskin Ausrüstung für Draussen GmbH & Co. KGaA behauptet, dann könnte die Erforderlichkeit der Einschaltung eines Anwalts bestritten werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn es zu Serienabmahnungen durch Jack Wolfskin kommt. Bei Serienabmahnungen kann die Beauftragung eines Rechtsanwalts unter Umständen rechtsmissbräuchlich sein (so z.B. im Fall des OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.02.2001 – 20 U 194/00). Die Kosten für den Rechtsanwalt können dann nicht auf den Verletzer abgewälzt werden. Allerdings spricht sowohl die Zahl der bekanntermaßen durch Jack Wolfskin ausgesprochenen Abmahnungen gegen einen solchen Missbrauch, als auch die finanziellen Umstände (Verhältnis der Abmahngebühren zu den Umsatzzahlen). Der in den Fällen angenommene Streitwert (25.000,- Euro) ist verhältnismäßig gering angesetzt. Die Höhe der Vertragsstrafe ist auch nicht ungewöhnlich.

Hakan Günay:

Zwischenzeitlich sind wohl mehrere Abmahnschreiben der Anwaltskanzlei aufgetaucht.
Ab wann kann man eigentlich von einer Abmahn-Welle sprechen?

Focke Höhne:

Abmahnwelle ist kein juristischer Begriff. Es existiert aber die Rechtsfigur der missbräuchlichen Abmahnung (z.B. OLG Brandenburg, Urt. v. 22.09.2009 – 6 W 93/09 oder OLG Hamm, Urt. v. 24.03.2009 – 4 U 211/08). Eine solche kann dann angenommen werden, wenn es dem Abmahner nicht um die Verfolgung sie wirklich in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigenden unlauteren Verhaltens geht, sondern um die Generierung von Ansprüchen auf Ersatz von Abmahnkosten und Anwaltsgebühren. Dabei spielt auch eine Rolle, gegen wen Abmahnungen ausgesprochen werden und wie sich der Abmahner im Weiteren verhält, etwa wenn er nur gegen bestimmte Personen gerichtlich vorgeht und gegen andere nicht, obwohl der Verstoß im Wesentlichen gleich ist. § 8 Absatz 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb statuiert hier eine gesetzliche Schranke zur Geltendmachung von Ansprüchen im wettbewerblichen Bereich. Die massenhafte Abmahnung ist dafür nicht erforderlich aber ein Indiz. Unklar ist dabei, was als massenhaft bezeichnet werden kann. Bereits zwölf Abmahnungen können dafür genügen (OLG Hamm, Urt. v. 24.03.2009 – 4 U 211/08; näher zu der Problematik: juris PraxisKommentar Internetrecht, 2. Aufl. 2009, Kap. 4, Rn. 254 ff.). Zum Schutz vor Abmahnungen bietet die IT-Recht Kanzlei einen sogenannten Abmahnradar an. Die Kanzlei informiert damit kostenlos über aktuelle Abmahnungen, die ihnen vorliegen.

Hakan Günay:

Obwohl formaljuristisch korrekt gehandelt, doch alles falsch gemacht. Was läuft verkehrt?

Focke Höhne:

Ob Jack Wolfskin alles falsch gemacht hat, kann ich nicht beurteilen. Allerdings spürt das Unternehmen gerade die Macht des Web 2.0. Derzeit ist die Aufregung groß. Die Aufmerksamkeit bewegt sich aber auch schnell weiter. Einige Kunden wird die Outdoor-Marke wohl durch diese Aktion verlieren. Dafür stärken sie ihre Marke und schüchtern andere Wettbewerber ein. Einige Unternehmen und Kanzleien erkennen derzeit, dass nicht nur der Sieg vor Gericht zählt, sondern auch eine gute Kommunikation. In den Vereinigten Staaten von America ist die Litigation-PR bekannt und verbreitet. Hier entwickelt sich derartiges erst.

Hakan Günay:

Müssen Unternehmen künftig bei jeder Abmahnung mit einem PR-Desaster in der Blogosphäre und im Social Web rechnen?
Was empfehlen Sie Markenartikeln und Unternehmen?

Focke Höhne:

Abmahnungen werden sogenanntes Tagesgeschäft und im Regelfall von der Öffentlichkeit unbeachtet bleiben. Unternehmen sollten aber Reaktionen im Internet beobachten und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. So hätte auch Jack Wolfskin sich „kulant“ zeigen und vor Ausspruch der kostenpflichtigen Abmahnung eine unbürokratische Einigung versuchen können. Andererseits ist zu bedenken, dass auch dem Unternehmen Kosten für die Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung entstehen. Es ist vom Grundsatz fair, dass diese Kosten von Verletzern und nicht von den Kunden getragen werden. Vergleichbar manchen Fällen mit politischen Auswirkungen kann ein Abgemahnter manchmal beträchtlichen Einfluss auf gewichtige Kreise haben. In solchen Fällen könnte es sich für das Unternehmen rechnen, nachträglich eine gütliche Einigung zu suchen.

Hakan Günay:

Welche Lernkurven ziehen Sie für sich aus den Fällen JAKO und Jack Wolfskin heraus? Was raten Sie Ihren Kollegen in den Anwaltskanzleien?

Focke Höhne:

Die Macht der öffentlichen Meinung haben schon andere große Unternehmen wie zum Beispiel Shell zu spüren bekommen. Unternehmen sind heutzutage bestrebt, ein gutes Ansehen zu haben und im Internet auch entsprechend bewertet zu werden. Allerdings müssen sie auch ihre Markenrechte verteidigen, da ihnen sonst rechtliche Nachteile drohen. Rechtsanwälte müssen über die relevanten Risiken aufklären. Auch wenn negative Publicity kein rechtliches Risiko darstellt, sollte es dennoch in die Erwägungen einbezogen werden. Andererseits sollten auch Kleingewerbetreibende sich bewusst sein, dass sie insbesondere bei Veräußerungen über das Internet rechtliche Risiken eingehen. Fehler können erhebliche Kosten nach sich ziehen. Insbesondere bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen haben das schon viele Händler gespürt. Eine rechtzeitige Kontaktierung eines spezialisierten Rechtsanwaltes kann hier lohnen.

>>
Ende des Interviews vom 22.10.2009 – Besten Dank an Focke Höhne für seine Einschätzungen.

Assessor (Jurist mit Erstem und Zweitem Staatsexamen) und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht der Universität Passau bei Prof. Dr. Dirk Heckmann
Assessor (Jurist mit Erstem und Zweitem Staatsexamen) und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht der Universität Passau bei Prof. Dr. Dirk Heckmann

Focke Höhne veröffentlicht regelmäßig im juris AnwaltZertifikatOnline und im juris PraxisReport IT-Recht zu internetspezifischen Sachverhalten.

Posted via web from stadtgespraech’s posterous